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Trump und das Risikobild der Weltwirtschaft

NEW YORK ‑ Wir befinden uns in einer Phase der Verschärfung geopolitischer Rivalitäten und Konflikte. Russlands Krieg gegen die Ukraine geht nun in sein drittes Jahr; der Konflikt zwischen Israel und der Hamas könnte sich immer noch zu einem regionalen Krieg ausweiten; und der sich verschärfende kalte Krieg zwischen den USA und China könnte noch in diesem Jahrzehnt wegen Taiwan eskalieren.

Sollte Donald Trump im November die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen, wird die Welt noch weiter aus den Fugen geraten. Und doch haben sich diese Risiken bisher nur begrenzt auf die Volkswirtschaften und Märkte ausgewirkt. Könnte sich das bald ändern?

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ist zwar nach wie vor so brutal wie eh und je, aber seine globalen Auswirkungen werden wahrscheinlich bescheidener ausfallen. Die Gefahr eines direkten Eingreifens der NATO oder eines Einsatzes taktischer Atomwaffen durch Russland ist heute geringer als zu früheren Phasen des Krieges. Auch wenn der Krieg zunächst die Preise für Energie, Nahrungsmittel, Düngemittel und Industriemetalle in die Höhe getrieben hat, konnte selbst Europa ‑ die am stärksten betroffene Region ‑ den Schock nur mit einer leichten Verlangsamung des Wachstums (in einigen Fällen sogar mit einem Stillstand) und nicht mit der von vielen Analysten befürchteten schweren Rezession aufgefangen.

Russische Kohlenwasserstoffe wurden durch verstärkte Importe aus den USA und dem Nahen Osten ersetzt. Die Auswirkungen auf die Lebensmittelpreise wurden dadurch abgemildert, dass die Ukraine den Schwarzmeerkorridor für ihre Getreideexporte wieder öffnen konnte.

Auch der Krieg zwischen Israel und der Hamas hatte bisher nur begrenzte Auswirkungen auf die regionale und globale Wirtschaft gehabt. Zwar ist das israelische BIP im vierten Quartal 2023 stark geschrumpft und wird wahrscheinlich so lange schwach bleiben, solange der Konflikt andauert. Für den Gazastreifen ist der wirtschaftliche Schaden natürlich noch gravierender, und Ägyptens Einnahmen aus dem Suezkanal ‑ einer wichtigen Devisenquelle ‑ sind aufgrund der Angriffe der jemenitischen Houthi auf Handelsschiffe im Roten Meer zurückgegangen. Wenn es jedoch nicht zu einer weiteren Ausweitung des Konflikts kommt, werden sich auch die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und die Märkte in Grenzen halten.

Erst eine größere regionale Eskalation, wie ein offener Krieg zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon oder Anzeichen dafür, dass Israel (und möglicherweise auch die USA) auf einen Krieg mit dem Iran zusteuern, würde die Erwartung schwerwiegenderer globaler Auswirkungen wecken. Ein ausgewachsener Krieg zwischen Israel und dem Iran würde die Energieproduktion und -exporte aus der Golfregion drastisch reduzieren und zu einem Energiepreisanstieg führen, der mit den weltweiten Stagflationsschocks nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 und der iranischen Revolution 1979 vergleichbar wäre. Glücklicherweise bleibt die Wahrscheinlichkeit einer scharfen regionalen Eskalation vorerst gering.

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Der kalte Krieg ‑ oder strategische Wettbewerb ‑ zwischen den USA und China wird sich zwar im Laufe der Zeit wahrscheinlich weiter verschärfen, aber es ist unwahrscheinlich, dass sich die Beziehungen in diesem Jahr wesentlich verschlechtern werden. US-Präsident Joe Biden und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping haben sich Ende letzten Jahres auf ein taktisches Tauwetter geeinigt, und Chinas Reaktion auf das unerwünschte Ergebnis der taiwanesischen Präsidentschaftswahlen war relativ zurückhaltend. Obwohl die Taiwan-Frage im Laufe dieses Jahrzehnts wieder aufflammen könnte, ist es unwahrscheinlich, dass dies in diesem oder im nächsten Jahr geschieht. Chinas wirtschaftliche Schwäche und Anfälligkeit könnte das Land dazu veranlassen, weniger auf Konfrontationskurs mit den USA und dem Westen zu gehen.

Gleichzeitig werden sich die Maßnahmen des Westens zur Risikominderung, zum Reshoring, zum Friendshoring und zur Einschränkung des Handels mit Waren, Dienstleistungen, Kapital und Technologien kurzfristig nicht wesentlich verstärken. Solange der strategische Wettbewerb unter Kontrolle bleibt, werden die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft bescheiden sein.

Die US-Wahl stellt wohl das größte geopolitische Risiko für Wachstum und Märkte dar. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass Trump und Biden einige außenpolitische Prioritäten teilen. Sowohl Demokraten als auch Republikaner sind China gegenüber aggressiv eingestellt und werden dies auch bleiben. Sowohl Biden als auch Trump sind starke Unterstützer Israels, erkennen aber auch an, dass die angestrebte Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien die Anerkennung einer möglichen Zweistaatenlösung erfordern könnte.

Die größten Differenzen zwischen Trump und Biden gibt es bei den Themen NATO, Europa und dem Russland-Ukraine-Konflikt. Einige befürchten, dass Trump die Ukraine aufgeben und Russland den Krieg gewinnen lassen könnte. Da er aber in Bezug auf China wahrscheinlich ein Falke bleiben wird, könnte er sich Sorgen über das Signal machen, das er (in Bezug auf Taiwan) aussenden würde, wenn er Russland die Ukraine übernehmen ließe. Außerdem möchte Trump eigentlich, dass die europäischen NATO-Mitglieder mehr für die Verteidigung ausgeben. Wenn sie das tun, könnte er den Wert des Bündnisses anerkennen – eine Botschaft in Richtung Asien, um China abzuschrecken.

Eine zweite Amtsperiode Trumps würde die Märkte vor allem durch ihre Wirtschaftspolitik beeinflussen. Die protektionistische Politik der USA würde zweifellos verschärft. Trump hat bereits angekündigt, alle Importe in die USA mit Zöllen in Höhe von 10 % zu belegen (der durchschnittliche Zollsatz liegt derzeit bei etwa 2 %), und wahrscheinlich noch höhere Zölle auf Importe aus China zu erheben. Dies würde neue Handelskriege auslösen, nicht nur mit strategischen Rivalen wie China, sondern auch mit Amerikas Verbündeten in Europa und Asien, wie Japan und Südkorea.

Ein globaler Handelskrieg würde das Wachstum bremsen und die Inflation erhöhen und ist damit das größte geopolitische Risiko, das die Märkte in den kommenden Monaten berücksichtigen sollten. In diesem Szenario würden Deglobalisierung, Entkopplung, Fragmentierung, Protektionismus, die Balkanisierung der globalen Lieferketten und die Entdollarisierung noch größere Risiken für das Wirtschaftswachstum und die Finanzmärkte darstellen.

Weitere mit Trump verbundene Stagflationsrisiken sind seine ablehnende Haltung gegenüber dem Klimawandel und die Wahrscheinlichkeit, dass er versuchen wird, den Vorsitzenden der US-Notenbank, Jerome Powell, durch eine gefügigere Person zu ersetzen. Schließlich würde Trumps Fiskalpolitik die ohnehin schon zu hohen Defizite weiter erhöhen. Die auslaufenden Steuersenkungen würden verlängert, ebenso wie die höheren Ausgaben für Verteidigung und Ansprüche. Das Risiko, dass sogenannte „Bond Vigilantes“ die Anleihemärkte mit deutlich höheren Renditen schockieren, würde steigen. Angesichts der hohen und weiter steigenden privaten und öffentlichen Verschuldung würde dies das Gespenst einer Finanzkrise heraufbeschwören.

Wie das Sprichwort sagt: „Es ist die Wirtschaft, Dummkopf“. Die von Trump vorgeschlagene wirtschaftspolitische Agenda stellt derzeit die größte Bedrohung für die Volkswirtschaften und Märkte weltweit dar.

Deutsch von Andreas Hubig

https://prosyn.org/bMrGOyode